Konstellationen | Salzburger Tournee Theater

Konstellationen – Salzburger Tournee Theater

SCHOSTAKOWITSCH UND DIE QUANTENPHYSIK.

Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Sehr viele! Zumindest im Fall von Marianne und Roland. Die Protagonisten des Zwei-Personenstücks KONSTELLATIONEN gehen Multiversen technisch so in die Vollen, dass sogar der CERN’sche Teilchenbeschleuniger an Farbe verliert.

Was wäre, wenn unser Universum nicht das Einzige wäre? Was wäre, wenn es verschiedene Multiversen gebe, die parallel zueinander existieren? Würde es uns dann ebenfalls in mehrfacher Ausführung und parallel zueinander geben, wie im Science-Fiction-Bereich längst üblich – von Dr. Who über Dr. Strange, von Star Trek bis zu Cloud Atlas? Was wäre wenn… – mit dieser Frage beschäftigt sich auch Gerda Gratzers Inszenierung von Nick Paynes KONSTELLATIONEN am OFF Theater und holt mit dem Salzburger Tournee Theater die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft auf die Bühne nach Gnigl. Intelligent, humorvoll und intensiv.

In aller Plot-Kürze

Quantenphysikerin Marianne lernt auf einer Party Imker Roland kennen. Die beiden kommen sich näher und durchleben gemeinsam verschiedene Beziehungsstadien. Das Besondere daran, ihre Geschichte beschränkt sich nicht auf eine Realität, sondern wird in unterschiedlichen parallelen Universen mit verschiedenen Blickwinkeln immer wieder neu und anders beleuchtet.

„In einem Quantenmultiversum existiert jede Wahl, jede Entscheidung, die du getroffen hast oder auch nicht in einem unvorstellbar riesigen Ensemble von Parelleluniversen“.

Multiversen Wanderer

Ein Stück, dass die immer gleichen Szenen auf die unterschiedlichsten Weisen nuacenreich rekapituliert. Was sich so leicht anlässt, ist durchaus komplex – sowohl für Schauspieler als auch für Publikum. Der Text der Nano-Szenen in Nick Paynes Zwei-Personenstück KONSTELLATIONEN mag kaum variieren, wohl aber die Akzentuierung und Ausrichtung des Spiels und damit das Gros des Theaterstücks. Konstellationen | Salzburger Tournee TheaterMimik, Gestik und Betonung sind einem ständigen Wandel unterworfen und erfordern eminente Konzentration. Die Parellelwelten wechseln im gefühlten Sekundentakt und geben ein hohes Tempo vor. So kann die eben noch launige Szene plötzlich in eine absolut konträre Ausrichtung kippen; wo vorher noch Komik auflachen lässt, herrscht unvermutet bedrücktes Schweigen oder vice versa – nur der Text ist gleich. Judith Brandstätter und Wolfgang Kandler wuppen diesen anspruchsvollen Spagat erstaunlich leichtfüßig und bilden verlässliche Brücken zu den unterschiedlichsten Mariannens und Rolands.

Nuanciertes Schauspiel

Als Quantenphysikerin redet sich Judith Brandstätter über ihre wissenschaftliche Disziplin in sympathisch nerdige Ekstase, während ihr Roland (Wolfgang Kandler) wahlweise verträumt zuhört oder in amouröse Wallungen gerät. Höchst unterhaltsam bereits das gegenseitige Kennenlernen, das alle Varianten enthält: Von Verzückung bis zur peinlichen Erkenntnis, dass der andere in Begleitung erschienen ist – von seiner Frau. Konstellationen | Salzburger Tournee TheaterSchnelle Pointen und launige Dialoge führen das Publikum kurzweilig in die Welt der Multiversen ein, ehe es ans Eingemachte geht: Gerda Gratzers Inszenierung kann nicht nur flapsige Heiterkeit und flotte Kalauer. Abgebrüht und ganz toughe Wissenschaftlerin wirft Marianne Roland aus dem Haus oder hadert in einem anderen Universum verzweifelt um Worte.

Wolfgang Kandlers Roland besitzt ebenfalls die komplette Emotionspalette: Vom liebenswert sympathischen Imker, der mit Anlauf in Fettnäpfchen springt bis zum aggressiven Freund, dem mal eben kurz die Hand auskommt. Roland hat aber auch eine verletzliche Seite, die Wolfgang Kandler mit selbstgerechten und sehr menschlichen Zweifeln und Ängsten unterfüttert, und die aus genau diesem Grund nicht einfach weggelacht werden können. Die Stelle scheint gut gewählt. Inzwischen dürfte sich auch der*die Letzte im Publikum mit der Parelleluniversum-Situation arrangiert haben. Da verträgt die zeitgenössische Komödie mit dem ernsten Kern auch Dramatik, ehe die Stimmung wieder eine 380° Grad Wendung erfährt.

Puristisches Setting

Wer Parallelwelten hat, benötigt keine Kulisse. KONSTELLATIONEN nimmt sich ausstattungsttechnisch komplett zurück und knüpft damit optisch an die Berliner Inszenierung von Antoine Uitdehaag an. Es reichen vier Stühle und zwei dunkel gekleidete Darsteller. Die Tür zu den anderen Dimensionen stoßen Judith Brandstätter und Wolfgang Kandler mittels facettenreichem Schauspiel auf und servieren bei diesen Gelegenheiten ein breites Tableau an Impressionen. Die Fantasie erhält Flügel und das omnipräsente Schwarz des Hintergrunds wird zum Greenscreen, der mit den eigenen Eindrücken und Vorstellungen gespeist werden darf, kann und soll. Das dabei keine Langeweile aufkommt, sondern gelungene Unterhaltung, versteht sich von selbst.

 

Fotonachweis: Christian Treweller

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2 Kommentare

  1. In jedem einzelnen Multiversum sag ich vielen Dank für diese wundervolle Kritik!

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