Alice im Wunderland | Schauspielhaus Salzburg

Alice im Wunderland – Schauspielhaus Salzburg

TIM BURTON IN HIMMELBLAU.

Wer bin ich und wenn ja, wie viele? – Mit ALICE IM WUNDERLAND ist dem Schauspielhaus Salzburg eine wunderbare Inszenierung mit den hauseigenen Schülern*innen gelungen – die auf direktem Weg ins Wunderland führt.

Jeder weiß, dass der Zugang zum Wunderland durch das Hasenloch führt. Nur Alice nicht. Die fällt in Lewis Carrolls literarischem Klassiker nämlich in eben genau diesen magischen Durchgang und entführt die Leser*innen in eine sagenhaft andere Welt. Im 21. Jahrhundert scheint das berühmte Hasenloch aber schon total „old-school“ – deshalb gibt es neuerdings eine Abkürzung: Auf der Bühne des Schauspielhaus Salzburg fällt Alice durch die, ja, wirklich, elterliche Mülltonne ins schräge Wunderreich.

In aller Plot-Kürze

Die kleine Alice sieht einen weißen Hasen mit einer Taschenuhr in der Pfote vorbeihasten, läuft ihm hinterher und landet kurz darauf im Wunderland. Dort trifft das neugierige Mädchen auf lauter seltsame Figuren wie die vernebelte Raupe, den herumhängenden Grinsekater oder die blauhaarigen Zwillinge, den Herzbube und den Nicht-Geburtstag feiernden Hutmacher nebst Märzhasen beim 5-Uhr-Tee-Gelage. Außerdem ist da auch noch die garstige Herzkönigin, die Köpfe am liebsten rollen sieht.

Who the duck is Alice?

Man nehme Tim Burton, gieße seine Ideen durch ein Sieb und entferne die letzten Düsternis-Rückstände per Hand. Das Resultat ist ALICE IM WUNDERLAND am Schauspielhaus Salzburg. Christoph Batscheider und Robert Pienz inszenierten mit den Schauspielhaus Schüler*innen eine magisch-verkehrte Welt, die sehr viel gute Laune verbreitet und durch ein fantastisches Bühnenbild begeistert (Ausstattung: Isabel Graf, Maske: Marliesa Hagn). Letzteres ist eine surrealistische Augenweide, die die Großen auf direkten Weg zurück in die Kindheit befördert – und die Kleinen genau dort abholt. Bespielt wird das farbenfrohe Spektakel von illustren Charakteren, für die das kreative Team den Stoff auf ein kinderfreundliches Maß reduzierte und den Happy-go-Lucky-Aspekt betonte. Gefahren? Gibt es nicht. Alice muss sich in erster Linie selbst finden und das gelingt ihr erstaunlich gut.

Alices Abenteuerreise

Hand aufs Herz, Helena May Heber ist die perfekte Alice. Klein und zierlich stellt sie im Ballspiel nicht nur die Weltkugel auf den Kopf, sondern mit ihren Fragen auch das Weltbild der Mutter.Alice im Wunderland | Schauspielhaus Salzburg Wer sie sei und woher sie komme, fragt Alice neugierig. So einfach ist das nicht zu beantworten, deshalb ab ins Wunderland. Der Übergang führt durch besagte Mülltonne und wäre so perfekt wie die restliche Ausstattung – würde sich die Kulisse nicht diesen einen kleinen Spalt breit verschieben. Das blaue Kleid blitzt hervor und ein kleine Junge kräht lautstark: „Siehst du, ist nicht echt, ist nur ein Vorhang!“. Schon ist der Moment aber wieder vorbei und wird die Reise ins Wunderland auch akustisch fantastisch fortgesetzt (Musik: Raphael Busá), Nonsense-Literatur verpflichtet schließlich.

In der merkwürdig anderen Welt trifft Alice wieder auf den gestressten weißen Hasen. Julian Dorner lässt ihn auf dem Roller hektisch durch die Gegend flitzen. Eigentlich ein Fall für den Burn-out-Spezialisten; den gibt es in Alices WUNDERLAND natürlich nicht. Stattdessen wird das kleine Mädchen im blauen Matrosenkleid zur Psychologin – das immer gleiche humorige Begrüßungs-Ritual sitzt. Die Hutwanderung ebenfalls und verleiht zumindest so etwas wie Stabilität im nervösen Hasen-Alltag.

Auf sie mit philosophischem Gebrüll

Als Kinderliebling entpuppt sich Grinsekater Jakob Kücher. Egal ob das bunte Tier elegant auf dem Baum lümmelt, seinen Katzenschwanz als Mikrofon zAlice im Wunderland | Schauspielhaus Salzburgweckentfremdet, Tassen auf den Ohren balanciert oder sich in Yoga-Manier am Bühnenrand verrenkt – der Spaß ist dem launigen Kater anzusehen. Amüsant feuert er Alice zu ihrem Aufstand bei der Herzdame an und hält sich dabei clever im Hintergrund – selbst beim Schlussapplaus kann der fröhliche Kater das Klamauken nicht lassen. Sehr zur Freude der Jüngsten. Das Wunderland wird aber noch von weiteren amüsant-skurrilen Figuren besiedelt. Die drei Blumen (Julia Rajsp, Raphael Steiner und Sophia Fischbacher) unterhalten vorzüglich in den unterschiedlichsten Akzenten, besonders Raphael Steiners Schweizer – oder ist es doch Tiroler? Oder Vorarlberger? – Varietät kommt an. Nach einem kleinen sprachlichen Missverständnis mit Alice hüpfen alle drei herrlich panisch von dannen.

Imaginäres Köpfe-Rollen

Laut, lauter, am lautesten dröhnt es aus den Lautsprechern, wenn der Märzhase (Julia Rajsp) und der Hutmacher (Raphael Steiner) ihr rockiges Nicht-Geburtstagsständchen geben. Grölend feiern sie sich selbst und haben, es ist kaum zu übersehen, jede Menge Spaß dabei.Alice im Wunderland | Schauspielhaus Salzburg In dieser ALICE IM WUNDERLAND-Inszenierung gibt es nur Heiterkeit und verdrehte Welt, aber keine Dunkelheit. Deshalb wird die Herzkönigin (Sophia Fischbacher) auch zur schrill gestrengen Monarchin in Lack und Leder stilisiert, der man gerne Hysterie attestiert – aber auch Schein-Einfluss. Köpfe rollen hier nur in der Fantasie der Herzkönigin und das wissen auch ihre Untertanen. Deshalb scheint es schlussendlich auch ein Leichtes, dass Alice sich selbst überwindet und den Aufstand im farbenfrohen Wunderland probt. Das nimmt dem Stück ein wenig vom Abenteurer-Charakter, garniert es aber mit philosophischen Momenten für die Jüngsten. Die gleichen Szenen sorgen wiederum für nostalgisches Amüsement bei den Großen. Win-win auf ganzer Linie also.

 

Fotonachweis: Jan Friese

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