Die Jungen Wilden der Kammeroper Salzburg

Kammeroper Salzburg: „Wir dachte uns, da geht noch mehr. Oper kann moderner“

Im Februar steht für die Salzburger Kammeroper die nächste Uraufführung auf dem Programm. Doch was ist eigentlich diese Kammeroper? Ein Blick auf die Jungen Wilden und ihre fluide Kultur.

„Dream big!“ prangt in dicken Lettern auf Postern und Postkarten, die bevorzugt das Sortiment von angesagten Concept-Stores ergänzen. „Träume groß!“ ziert auch die Einbände zahlreicher Motivationsratgeber und Happy-go-Lucky-Stories. Dass dieser häufig strapazierten Sentenz aber manchmal wirklich Flügel wachsen, beweist die Kammeroper Salzburg. Wie, schon wieder ein neues Opernhaus für Salzburg? „Ja, es gibt schon recht viele Opernstätten für die Größe der Stadt“, stimmt Konstantin Paul zu. „Aber für uns waren diese Häuser einfach zu konventionell. Die Festspiele sind ein sehr exklusiver Club, wo Menschen nur limitiert Zugang finden. Das Landestheater macht ebenfalls gute Produktionen, aber wir dachten uns, da geht noch mehr. Oper kann moderner und Oper kann vor allem auch die Probleme thematisieren, die uns im Alltag beschäftigen. Diese Lücke wollen wir mit der Kammeroper schließen.“

Die Jungen Wilden der Kammeroper

Hinter dem ‚wir‘ stecken Gordon Safari (Präsident & Musikalischer Leiter), Konstantin Paul (Künstlerischer Leiter) und Michael Hofer-Lenz (Ausstattungsleiter), die den Kopf der 2020 gegründeten Institution bilden. Bereits damit fällt das Trio aus dem Rahmen und drückt den Altersdurchschnitt distinguierter Opernhausleiter deutlich. Euphorie und Tatendrang sind ihnen anzumerken und prägen auch die Arbeitsweise. „Es ist unser großer Vorteil, dass wir einen frischen Blick haben. Dass wir nicht nur auf Social-Media neue Konzepte suchen, sondern gleich eine ganze Oper für das Internet machen – und zwar nur für das Internet“, betont Konstantin Paul. „Das sind Details, die etablierte Häuser bisher nicht im Blick hatten“.

Die erste große Uraufführung fand vergangenes Frühjahr mit TAG47 statt. Eine Digital Opera, die das Leben der Protagonist*innen in der Zeit von Social Distancing behandelt und damit sehr aktuell ist. „Die Idee dazu schwirrte schon länger in unseren Köpfen herum.“ Kennengelernt habe man sich 2017. „Ich betreibe neben der Kammeroper noch das Ensemble Bachwerkvokal in Salzburg“, führt Gordon Safari aus, „und wollte weg von diesen etablierten Oratorienkonzepten: Chor und Orchester treten auf, das Konzert findet in einem geregelten Rahmen statt. Stattdessen wollte ich mich verstärkt mit szenischen Produktionen beschäftigen. Ein guter Freund riet mir, mit Konstantin Kontakt aufzunehmen, der damals gerade am Landestheater Regieassistent war und viele Ideen hatte. Also trafen wir uns und stellten gemeinsam ein Händel Oratorium auf die Beine, als Kirchenoper, so wie auch ursprünglich vom Komponisten gedacht. Michael kam dann 2019 dazu, als wir bei den Festspielen in den Bach Kaffeekantate im Bazar mitwirkten.“

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v.l.n.r: Gordon Safari, Konstantin Paul & Michael Hofer-Lenz

„Ok, alle Theater machen zu, ist egal, wir machen eines auf“

In den Proben sprachen die drei häufig darüber, welche Werke sie gerne realisieren würden. Meistens entsprachen sie aber nicht der Konzeptprogrammatik des Bachwerkvokal. „Als wir dann die Idee zu TAG47 hatten, war klar, jetzt ist der Zeitpunkt, jetzt machen wir es einfach. Ok, alle Theater machen zu, ist egal, wir machen eines auf“. Tatsächlich premierte TAG47 während des ersten Lockdown. Das führte zu einer eigenen Grundenergie, ist Gordon Safari überzeugt. „Alleine schon, dass wir drei im April 2020 die Köpfe zusammensteckten, als nichts mehr ging. Aus dieser Synergie speist sich das Unternehmen und vor allem auch der Spirit der Kammeroper bis heute. Das nimmt manchmal grenzwertige Formen an, aber ich glaube, wir brauchen das auch. Als Inspiration oder auch als Kraftquelle, die uns irgendwie zu Kreativleistungen anspornt und herausfordert.“

Völlig losgelöst: Die Kammeroper Salzburg

IM WESTEN NICHTS NEUES. IM SÜDEN ABER AUCH NICHT.

Einen großen räumlichen Vorteil besitzt die Kammeroper ebenfalls. Sie ist an keinen physischen Ort gebunden, kann auch virtuell und ist damit als fluide Kultur ganz Tochter ihrer Zeit. TAG47 war so ein digitales Erlebnis. Im Sommer folgte ECHO SYSTEM: Die Opernperformance fand in der Kollegienkirche statt. „Eine einmalige Veranstaltung, aber im echten Raum und mit Live-Publikum“, resümiert Konstantin Paul. Und hier beweist sich die Kammeroper visionär enthoben. „Wir bespielen immer Orte, die passend zum Werk sind. Das heißt, wir nehmen nicht eine Halle, in der wir dauerhaft sind, sondern je nach Konzept, Regie und Stück suchen wir gezielt nach Orten in Salzburg, die sich genau dafür eignen. Und das soll auch in Zukunft so bleiben.“

Diese Grenzenlosigkeit und Diversität prägen den Mehrwert der Kammeroper. Das und die Tatsache, dass es dem künstlerischen Trio wichtig ist, Leute zu erreichen, die sich sonst nicht in eine Oper setzen würden. „Diese Menschen wollen wir zurückholen. Ob die jetzt 20 Jahre sind oder 50 Jahre, das spielt für uns grundsätzlich keine Rolle. Wir möchten sie nur gerne wieder zurück ins Theater holen.“ Da hilft dann vielleicht auch wieder dieses Brennen für die Sache und die eigene Leidenschaft. „Für mich ist es tatsächlich die Gesamtheit, die mich an der Oper fasziniert. Diese Verbindung von so vielen unterschiedlichen Bereichen, um etwas auf die Bühne zu bringen. Es ist einfach ein Schönes aus Musik, aus Schauspiel, aus szenischer Darstellung, aus Instrumentalisten, aus Bühne, aus Kostümen und natürlich auch aus dem Publikum, das dieses sehr Schöne, Große schafft, was seinesgleichen immer noch sucht“, schwärmt Michael Hofer-Lenz.

Sneak-Peek auf IM WESTEN NICHTS NEUES. IM SÜDEN ABER AUCH NICHT

Die nächste Uraufführung folgt bestimmt. Konkret am 13. Februar auf YouTube. Den Inhalt umreißt Konstantin Paul damit, dass die Produktion von absurdem Theater inspiriert ist. „Zwei Personen befinden sich im Nirgendwo auf einer Plattform und in diesem Nirgendwo haben sie eine erfolglose Aufgabe. Die Zeit scheint sich nicht zu bewegen, woraus sich unangenehme und existentielle Fragen entwickeln.“

„Mir ist es wichtig zu betonen, dass sich IM WESTEN NICHTS NEUES. IM SÜDEN ABER AUCH NICHT selbstverständlich von TAG47 unterscheidet“, betont Michael Hofer-Lenz. „Das heißt, wir sind in der Stückentwicklung und Umsetzung weitergegangen und haben weitergedacht. Wir haben also eben nicht das bewährte Konzept wieder aufgegriffen, um daraus einen TAG47 2.0 zu machen. Nein, wir haben uns wirklich Gedanken darüber gemacht, wie wir dieses Online-Format, die Digital Opera, noch mehr optimieren und verbessern können. Was haben wir aus der letzten gelernt? Und ja, ich finde, es ist uns gelungen. Wir haben uns selbst überboten und etwas noch Intensiveres geschaffen.“ Davon kann sich das Publikum übrigens selbst überzeugen. Am 13. Februar um 19:00 Uhr beim kostenlosen Stream der Kammeroper Salzburg.

Fotonachweis: Kammeroper Salzburg

 

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