Nachts im Museum – Oper in der Residenz

Opereskes Sightseeing

Mit NACHTS IM MUSEUM: OPER IN DER RESIDENZ bespielt das Landestheater Salzburg die Alte Residenz und inszeniert einen musikalischen Zeitsprung. Magisch!

Theater? Kann heutzutage jede Bühne und vermutlich sogar Bühnen, die eigentlich gar keine Bühnen sind. Auch moderne Inszenierungen sind zwar schön, aber um das verwöhnte Publikum bei Laune zu halten, müssen sich Regisseure*innen so einiges einfallen lassen. Dass sich diese intensiven Denkprozesse lohnen, beweist das Salzburger Landestheater. Das bespielt nämlich neuerdings öffentlichen Raum; allerdings nicht irgendeinen, nein, sondern gezielt die Alte Residenz. Das scheint praktisch, denn damit hebt sich die Inszenierung auch gleich selbst in den Adelsstand. Schließlich handelt es sich bei dem altehrwürdigen Setting um einen symbolträchtigen Ort; hier residierten einst die Fürsterzbischöfe, spielten weltberühmte Komponisten und wohnten Teile des österreichischen Kaiserhauses.

Goldenes Barock und die Frühklassik

Das Personenaufgebot ist enorm, egal ob auf Publikums- oder Darsteller*innen-Seite. Beides erfordert straffe Organisation, die am Premieren-Abend ausgeklügelt funktioniert. Es bilden sich unbemerkt zwei Grüppchen, die jeweils einen eigenen „Reiseführer“ zur Seite gestellt bekommen. Zu dem Zeitpunkt ist es bereits zappenduster, nur die eine oder andere Taschenlampe wird neugierig gezückt und später leuchten zumindest die … Leuchten, schwach zwar, aber dafür konsistent. Das sorgt für eine wunderbar dramatisch-intime Atmosphäre. Im Carabinieri Saal stimmt zu diesem Zeitpunkt der Chor des Salzburger Landestheaters bereits Josef Gabriel Rheinbergers „Abendlied“ an – der Dirigent (vermutlich Adrian Kelly, so genau kann man das jetzt wirklich nicht mehr sehen) schwingt einen leuchtenden Taktstock. Toll, ein bisschen Luke Skywalker drängt sich auf, und lässt ein Augenzwinkern in der Inszenierung von Karsten Bohn (szenische Einrichtung) erahnen. Wenn sich die Augen an die Dunkelheit des Saals gewöhnen, fallen auch die Kostüme (Alois Dollhäubl) auf: Egal ob Frau oder Mann, alle sind in Gold-Schwarz gekleidet. Wobei die güldenen Momente als visuelle Hommage an die Barockzeit gelten können – oder eine dezente Reminiszenz an den Prunk der fürsterzbischöflichen Residenz, durch den die Besucher*innen genau in diesem Augenblick wandeln. Gleichzeitig werden die Darsteller*innen und Musiker*innen gerade durch die optischen Anspielungen zu fantastischen Figuren aus einer längst vergangenen Epoche, zum Dekor der Alten Residenz, das nur im Augenblick seiner Betrachtung wieder zu Leben erwacht.

Termin-Stress in der Residenz

Weiter geht die Reise durch den Rittersaal bis in die Konferenzräume. Auf musikalische Arrangements folgen erste szenische Darbietungen. Franz Super begeistert mit Francesco Rasis „Un guardo“, während Anne-Fleur Werner im Schlafzimmer für Gänsehaut sorgt. Dafür kniet die Sopranistin vor einem Altar und singt umringt von Publikum. Das stört die Intimität der Szene wenig; im Gegenteil, wird sie doch gerade dadurch verstärkt, dass die kniende Frau plötzlich aufspringt und davon eilt.  Der Reiseführer gegen den Uhrzeigersinn (Felix Mayrhofer), der an diesem Abend zu wahrer Reiseführer-Berufung aufläuft und das Publikum so emsig vor sich hertreibt, dass es tatsächlich an Club-Urlaub erinnert, scheucht die Besucher*innen eilig in den nächsten Raum. Dort singt bereits der Damenchor des Salzburger Landestheaters, eingehüllt in goldene Kutten. Das nächste magische Moment läuft auf einen Höhepunkt zu, als die Frauen mit Franz Schuberts „Lacrimosa son io“ durch die Menge abtreten und Anne-Fleur Werners Stimme zum Schluss leise verklingt.

Genug der Seriosität

Höchste Zeit für NACHTS IM MUSEUM daran zu erinnern, dass die Inszenierung auch lustig kann. Das war nicht nur beim leuchtenden Taktstab von (vermutlich) Adrian Kelly zu beobachten, sondern auch bei der Aufführung von Johann Michael Haydns „Der Bassgeiger zu Wörgl“. Vor versammeltem Publikum – Reisegruppe Rot und Blau treffen sich – wird das Lustspiel in einem Akt dargeboten. Die Heiterkeit ist allerdings steigerbar: Mit zwei Nicht-Muttersprachlern, die mit dickem Akzent in österreichischem Dialekt parlieren, und mit höchst humorigem Gestus den Plot rekreieren. Begleitet wird Tamara Ivaniš und Raimundas Juzuitis stimmstarke Darbietung vom Ensemble Delirio & Friends. Die bilden gemeinsam mit Musiker*innen der Alten Musik-Szene das musikalisch-instrumentale Zentrum des Abends – und tragen maßgeblich zur Zeitreise zurück in die fürsterzbischöfliche Epoche bei. Nach dem Reiseführerwechsel (Gruppe Rot wird jetzt von einem sehr entspannten Walter Sachers begleitet) erheitert im Weißen Saal einmal mehr das Ensemble Delirio & Friends, dass sich dann beinahe auch noch mit dem Herrenchor des Landestheaters prügelt.

Das hier niemand den Weg verliert, scheint erstaunlich. Türen öffnen sich wie von Zauberhand und das Einlass-Personal reist zeitgleich mit dem Publikum durch einen unaufdringlich durchkomponierten Abend. Zum opulenten Finale lädt das gesamte Ensemble einmal mehr in den Carabinieri Saal. Das erfüllt zuerst Franz Supper eindrücklich mit einer Partie aus Monteverdis „L’Orfeo“, ehe alle einstimmen. Apropos! Orpheus scheint dann auch der inoffizielle Pate der musikalischen Entdeckungsreise durch die Residenz zu sein. Und das zu recht. Denn nach dem Schlussapplaus gilt, bloß nicht umdrehen, sonst entschwindet NACHTS IM MUSEUM endgültig. Das wäre ewig schade für einen sehr eindrücklichen Abend mit wunderbar barocken Momenten. Natürlich tut es die Inszenierung dann trotzdem; das mit dem Nicht-Umdrehen fällt aber auch verdammt schwer.

 

Fotonachweis: Anna-Maria Löffelberger

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