Ein seltsames Paar – Schauspielhaus Salzburg

Achtung – tieffliegende Linguine-Teller.

Neil Simons EIN SELTSAMES PAAR feierte 1965 seine Uraufführung. Jetzt ist es am Schauspielhaus Salzburg zu sehen. Das ist zwar nicht der Broadway, die Komödie dafür aber mindestens genauso humorig und unterhaltsam.

EIN SELTSAMES PAAR schlug ein wie eine Bombe; deshalb folgte auch bereits 1968 die filmische Adaption, die noch heute zu den Klassikern des heiteren Genres zählt. Jetzt verhilft das Schauspielhaus Salzburg dem Evergreen zu neuen Ehren. In die großen Fußstapfen von Walter Matthau und Jack Lemmon dürfen in Christoph Batscheiders hochgradig amüsanter Inszenierung Martin Brunnemann und Antony Connor treten. Aber auch das restliche Schauspieler*innen-Team kann sich sehen lassen.

Das Publikum trifft auf ein Herrenzimmer in einer Junggesellenbude (irgendwie wirkt letzteres Wort eigentümlich antiquiert). In diesem höchst maskulinen Raum wird Felix, der von seiner Angetrauten Frances vor die Tür gesetzt wurde, vermisst. Seine Freunde beginnen gerade, sich Sorgen über sein Fernbleiben zu machen, als der Vermisste bereits vor der Tür steht. Oscar nimmt ihn großherzig bei sich auf, nur um wenig später an Felix‘ Ordnungswahn und Hausfrauen-Ambitionen zu verzweifeln. Als ihm der hypochondrische Ordnungsfanatiker auch noch die Tour bei den beiden Schwestern (oder Cousinen) Gwendolyn und Cecily vermasselt, setzt er ihn ebenfalls vor die Tür. Doch war das wirklich klug?

Ein 70er Revival

Ch. Batscheider inszenierte am Puls der Entstehungszeit und das, ohne EIN SELTSAMES PAAR an Authentizität einbüßen oder in unglaubwürdige Theatralität abdriften zu lassen. Im Gegenteil; das Herrenzimmer in der Junggesellenbude (und jetzt erst recht!) ist mindestens ebenso auf 70er Jahre getrimmt wie die dunkle Wandvertäfelung, die Retro-Ausstattung und die Figuren selbst. Koteletten, Föhnfrisuren und Schlaghosen soweit das Auge reicht. Und weil wir uns in Amerika befinden, dürfen auch die obligatorischen Hawaii-Hemden nicht fehlen, sowieso. EIN SELTSAMES PAAR lässt mit naturalistischem Bühnenbild die amerikanischen 70er Jahre humorvoll auferstehen (Ausstattung: Isabel Graf).

Die Männerwelt

Die Freunde sitzen in mehr oder weniger fröhlicher Poker-Runde beisammen, wie das in Filmen oder Bühnenstücken halt so üblich ist. Da gibt es den extrem verstimmten Speed, dem Moritz Grabbe einen großartigen Zappel-Tick angedeihen lässt. Bei längerer Betrachtung läuft man*frau allerdings Gefahr, selbst ganz hibbelig davon zu werden. Daneben der um seinen Freund Felix extrem besorgte Polizist Murray (Frederic Soltow), der mit imposanter Stimme fröhlich durch die Wohnung posaunt, aber fast ebenso auf Essen fixiert scheint wie Vinnie. Vinnie! Das Wesen des etwas nervösen Vinnie (Marcus Marotte) erheitert extrem durch eine spezielle Kreuzung aus Pedanterie und Ängstlichkeit. Überkorrekt, überpünktlich und überambitioniert reagieren Vinnies Freunde sichtlich genervt, als er ihnen zum 101 Mal erklärt, dass er heute um Mitternacht gehen müsse. Er und seine Familie fliegen ja morgen in den Urlaub. Ein grandios rotes Tuch für Speed, das M. Grabbe nur allzu gerne aufgreift.

Die eigentlichen Hauptpersonen sind Oscar und Felix. Oscar (Martin Brunnemann), der relaxte, coole und kürzlich erst geschiedene Typ, der die neu gewonnene Freiheit genießt und es nicht wirklich mit der Ordnung hat. Außerdem nimmt er das mit den Alimenten auch nicht so genau. Im Reden ist Oscar dafür großartig (und auch im Linguine-Teller gegen die Wand werfen; ein Teil davon landete am Premierenabend treffsicher und pittoresk auf der Kulisse – Chapeau!). Mit Witz, Humor und einer großen Portion Sarkasmus nimmt er sich anfangs noch ziemlich geduldig seines hypochondrischen Freundes Felix (Antony Connor) an. Herrlich, wenn A. Connor die Leiden seiner Figur auflistet. Ganz 70er Jahre-Rauschgold-Engel stolpert er dabei von einer Krankheit in die Nächste. – Alsbald wird aus der neu gegründeten Männer-WG allerdings eine kleine Ehe. Dann eine große. Felix zelebriert seinen Ordnungswahn und räumt in geblümter Schürze gar köstlich hinter den Poker-Freunden her. Irgendwie scheinen nur Vinnie und Murray die Gastfreundlichkeit (bzw. liebevoll zubereiteten Häppchen) der neuen „Hausfrau“ zu schätzen. Jetzt ist nicht mehr nur Speed sichtlich genervt. Auch dem lässigen Oscar reißt schließlich sichtlich gelungen der Geduldsfaden. Es folgt panisches Rennen durch die Wohnung (Felix) und eine mörderische Jagd auf Felix (Oscar). Köstlich.

Plötzlich Schwestern

Susanne Wende und Kristina Kahlert avancieren indes weiterhin zum weiblichen Dream-Team. Waren sie bei HIERONYMUS BOSCH noch Chef-Magd und Unter-Mägdin, sind sie bei EIN SELTSAMES PAAR Schwestern (oder Cousinen). Dabei sprüht das weibliche Duo, das eigene musikalische Intros erhält, in dieser tendenziell maskulinen Produktion nur so vor Sexappeal und ja, man kann es nicht oft genug erwähnen, 70er Jahre Chic. Ersteres dürfte dem Autor anzulasten sein und spricht humorige Bände. Aufgedonnert in sehr kurzen und hautengen, farbintensiven textilen Kombinationen stürmen Gwendolyn und Cecily zu schnellen Rhythmen die Bühne. Und erobern diese amourös-leidenschaftlich im Sturm. Das Publikum ist hörbar begeistert. Soviel Enthusiasmus steckt an. Völlig überdreht und maßlos extrovertiert kokettieren die beiden Frohnaturen mit Oscar, dass es eine Zuschauer*innen-Freude ist. Gleichzeitig freunden sie sich mindestens ebenso ungewöhnlich und höchst emotional mit Felix an. In diesem Moment hat gar kein Auge im Saal mehr die Chance, trocken zu bleiben.

Theatraler Sport für die Lachmuskeln

EIN SELTSAMES PAAR ist gespickt mit wunderbaren Pointen und schlagfertigen Dialogen. Das Ensemble beweist Stärke und spielt sich sprichwörtlich in Komödien-Rage. Feinsinnig werden die Charakterzüge der einzelnen Figuren mit entsprechenden Gestiken unterlegt und Stimmungen an das Auftreten angepasst. Die zufälligen Schwächen und Hässlichkeiten, die Aristoteles einst an der Komödie monierte, werden gerade dadurch zum gern genutzten Trainingsgerät für die Lachmuskulatur. Der Grieche würde vermutlich im Grab rotieren, die Verfasserin freut EIN SELTSAMES PAAR allerdings sehr und dem enthusiastischen Schlussapplaus nach zu urteilen, ist sie mit dieser Meinung definitiv nicht die Einzige… (Aristoteles vermutlich schon). 😉

 

 

Fotonachweis: Jan Friese // Schauspielhaus Salzburg

 

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