‚Cause we all just wanna be big rockstars

Ich muss an dieser Stelle eine weitere Konzertbeobachtung teilen. Ganz dringend sogar. Ich könnte mittlerweile vermutlich bereits ganze wissenschaftliche Bände mit den Kleidungspräferenzen von Dirigenten befüllen. Das ist ein hochspannendes Thema, wirklich. Es gibt beispielsweise, ein jeder kennt sie, die klassischen Schwarz-Träger; immer in schwarz gewandet, trifft man sie bei fast allen klassischen Konzert vorne auf dem Pult an. Frauen sowie männliche Kollegen bei diesen Okkasionen stets in herkömmlichen Anzügen auftretend. Das ist frustrierend, weil warum muss eigentlich auch Konzertmeisterin – derer es ohnehin zu wenige gibt – da vorne im männlichen Habitus dirigieren? Dann gibt es die, vermutlich rebellischen, Dirigentinnen, oder zumindest die, die sich bewusst/unbewusst gegen die Norm stellen und bunte Jacketts zu ihren maskulinen Anzügen kombinieren. Bisweilen arten die auch aus; irgendwann ist mir doch tatsächlich ein Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat untergekommen. Der war bunt, sehr bunt, sorgt aber immerhin für gewisse farbliche Akzente. Und dann kam gestern.

Gestern betrat ein Konzertmeister die Bühne, der vermutlich irgendwann einmal den dringenden Wunsch verspürte, Rockstar zu werden. Der beinahe 60-Generation angehörend, mit weißem, etwas schütterem Haupthaar, kommt er über die Bühne getrabt; gekleidet in einer Mischung aus hautengen, beinahe schon Skinny, Jeans oder wahlweise auch Ballettunterbekleidung für Herren (oder auch einfach nur sehr dunkle Strumpfhosen), die jede Muskelbewegung sichtbar macht und jede Zuckung der Oberschenkelmuskulator nach außen überträgt. Ergänzt wird das Ganze durch ein schwarz glänzendes, sehr enges und hochgekrempeltes Hemd, das lässig, aber nur noch sehr knapp, über der Hose endet. Der Kragen natürlich geöffnet, zusätzlich ziert den Musikus ein goldenes Halskettchen. Münder weit offen, geht ein amüsiertes Gekicher durch das Auditorium, als der schwedische Dirigent seinen Platz einnimmt. Es könnte natürlich auch an seinem leicht trippelnden Schritten liegen, die das „I wanna be a Rockstar“ – Image auf sehr humoreske Art und Weise persiflieren. Dann aber geht es so richtig zur Sache. Empathisch führt er durch die Höhen und Tiefen seines Repertoires und das ganz sprichwörtlich. Immer wieder reißt er die Arme nach oben und in diesen Momenten fällt es sehr schwer, das Auge abzuwenden, schließlich rutscht bei jeder Armbewegung sein ohnehin sehr knapp bemessenes, enges, stark schillerndes Hemd ebenfalls nach oben und entblößt – hoffentlich unbeabsichtigt – seine Kehrseite, die mittels knall enger Jeans unvermutet in den Fokus gerät. Übrigens wunderbar ausgeleuchtet durch die hervorragende Beleuchtung im Saal des Festspielhauses.

Im zweiten Teil des Konzerts kommt der poppige Konzertmeister übrigens mit einer Lilakopie des eng anliegenden,  glänzenden Hemdes auf die Bühne. Er bleibt seinem etwas schrillen Rock-Image treu. Erneut herrscht fröhliches Gelächter, als der Musikus die Bühne betrifft. Eines kann man ihm definitiv nicht vorwerfen, Langeweile. Irgendwie ist es visuell sehr erfrischend, endlich nicht mit einem weiteren Anzugträger konfrontiert zu werden.

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