Mr. Pilks Irrenhaus – Theater OFFensive

Die vermutlich pathologischste Komödie… ever!

Es ist bekannt, dass Ken Campbells „Mr. Pilks Irrenhaus“ schräg ist. Wie steigerbar verrückt aber tatsächlich ist, demonstriert die Theater OFFensive höchst eindrücklich mit ihrer wunderbar grotesken Inszenierung des Pilk’schen Wahnsinns. – Nicht verpassen!

Endlich, die Theater OFFensive ist zurück! Nach einer viel zu langen Pause ist die Herbergssuche des freien Ensembles offiziell beendet. Seit Kurzem besitzt die OFF-Truppe nämlich ihr eigenes theatrales Etablissement, bei dem sie – eh klar – auch selbst Hand angelegt haben. Das Ergebnis darf sich sehen lassen: Das OFF Theater. Seine Theater-Taufe hat das junge Haus mit der Premiere von Ken Campbells Komödie „Mr. Pilks Irrenhaus“ bereits hinter sich und selbstverständlich mit Pauken und Trompeten bestanden.

Mr. Pilk ist ein irischer Schriftsteller, bei dem nichts so ist, wie es scheint. Da trifft es sich ganz gut, dass Mr. Pilk ohnehin nur der Fiktion des englischen Autors Ken Campbell entspringt. Das wiederum sollte man Mr. Pilk besser nicht mitteilen, da er vermutlich mit einer Salve von Schimpfwörtern antworten würde. Stattdessen also lieber Schweigen und dem vergnüglichen Treiben auf der Bühne beiwohnen. Denn Mr. Pilks Welt ist ein Irrenhaus – eine Aneinanderreihung kurzer Episoden, Minidramen, Monodramen, Dialogen, Szenen und Anekdoten. Verpackt und fertiggestellt von Ken Campbell, wieder ausgepackt, neu arrangiert und mit Schleifchen versehen von der Theater OFFensive. Das kann einen Mr. Pilk schon mal in den Wahnsinn treiben. Oder sind es die Figuren, die den Verstand verlieren? Oder am Ende gar das Publikum?

Eines wird schnell klar, kein Stück hätte besser den neuen OFF-Theater-Reigen eröffnen können als MR. PILKS IRRENHAUS (Ausstattung: Andrea Linse, Assistenz: Jonas Zacharias, Technik: Felix Suttheimer). Tatsächlich – man möchte es kaum glauben – ist der Wahnsinn aus Campbells Feder sogar noch steigerbar. Dafür wurde tief in die Inszenierungskiste gegriffen und das Publikum auf die Bühne verlegt. Oder die Bühne ins Publikum. Tatsächlich aber ist der Bühnen- und Zuschauerraum-Allrounder der Tummelplatz des kunterbunten Treibens, das Spiegelkabinett des Mr. Pilks. Zwischen, neben, über und unter den Stühlen springen, schleichen und kriechen die Schauspieler*innen, während sich der clowneske Schlagzeuger (Jonas Zacharias) voller Elan in sein Drumset wirft und immer wieder die Frage nach der Wirklichkeit des Spiegelkabinetts stellt. Dazu lässt er seinen Blick mal wissend, diabolisch und konspirativ durch die Reihen schweifen.

Durchgeknalltes Spiegelkabinett

Der Irrsinn ist omnipräsent, nicht nur im schräg-skurrilen Bühnenbild und den wunderbar kreativen Kostümen. Nein, das wäre latent untertrieben. Stattdessen tragen auch die Schauspieler*innen den Wahnsinn vom Scheitel bis zur Sohle nach außen. Die Gesichter in Weißclown-Optik bepinselt, verausgaben sie sich mit Haut und Haar in den zahlreichen und höchst kurzweiligen Episoden, Minidramen, Monodramen, Dialogen, Szenen und Anekdoten.

Es dominiert die absolute Spielfreude und infiziert auch gleich das Publikum. Bei so viel Einsatz ist es tatsächlich schwer, die Contenance zu wahren. Anja Clementi hat ihren großen Auftritt nicht nur als schreiendes Riesenbaby in einem ziemlich geräumigen Kinderwagen, den sie als aufreizende Politesse wieder verlässt. Vom schwarzhaarigen „Blondie“-Paradoxon wechselt die Schauspielerin spielend zur handgreiflichen Ärztin, die dem Gegenüber effektiv den Ohrwurm aus dem Gehörgang nötigt, ehe sie plötzlich im falschen Körper steckt und alles vergisst, was sie sagt. Alex Linse oszilliert ebenso stringent zwischen den verschiedenen Rollen in Mr. Pilks wahnsinniger Welt. Deshalb überzeugt er als Spion Widerwillen genauso wie als vielleicht das eigene Schlafzimmer klonender Ehemann. Aber auch die besorgte Mutter im zu engen schwarzen Abendkleid, die schockiert vor dem Eier legenden Sohn steht, putzt ganz ungemein. Ja, es ist bereits zu erahnen, in Mr. Pilks Irrenhaus geht es ziemlich grotesk zur Sache. Deshalb entpuppt sich Max Pfnür auch als die ideale Ergänzung für das Trio infernale. Mit seinem Hang zum körperlichen Ausdruck geht er absolut in die Vollen: Er kriecht unter die Stühle des Publikums, fällt effektiv von diversen Oberflächen oder wird von ihnen gestoßen. Fremdschmerzen ist natürlich drin, so viel Empathie muss sein. Silke Stein erheitert währenddessen als nur scheinbar planlos durch die Kulisse streifendes Eichhörnchen und Renée Paul als stilbewusste schwarze Frau für alle Fälle.

Die Welt auf dem Kopf

Optische Highlights setzen aber auch die wunderbar kreativen Regie-Einfälle; deshalb ist das Bett des Ehepaars an die Wand getackert. Stehend persiflieren die Schauspieler*innen das Liegen und andere Posen. Vom Bühnenhimmel baumeln indes die diversen Requisiten – Banane zum Telefonieren gefällig? Wenn dann doch mal spontan etwas aus der Kulisse fällt, ist das nicht schlimm. Eloquent wird es einfach in den Text mit eingebaut. Das scheint passend für ein Stück Campbells, der vom Guardian als „Improv king“ geadelt wurde.

Die zahlreichen Szenenwechsel sind frappant und temporeich. Im Minutentakt stürmen die Schauspieler*innen bei der einen Tür hinein, bei der anderen wieder hinaus. Bisweilen nehmen sie auch gleich die Abkürzung durch die Vorhang-Wand. Faschingkrapfen spielen eine tragende Rolle, dass dabei einige der Süßspeisen zu Schaden kommen, kann nicht ausgeschlossen werden. Aber … wie viel Wirklichkeit steckt jetzt eigentlich in diesem Spiegelkabinett?

MR. PILK IRRENHAUS ist herrlich grotesk, wunderbar psychedelisch und ziemlich verrückt: Die Theater OFFensive liefert damit eine geballte Ladung an Gründen, für Ausflüge in die Salzburger OFF Theater-Szene.  Nachschlag dringend erbeten!

 

 

www.max-pfnuer.com

Fotonachweis: Theater OFFensive

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