Im Markussaal feierte Christine la Renardes „Femme fatale – Das Mysterium der Irene Adler“ mit dem Studierendentheater Salzburg Uraufführung und wirkt ansteckend: so viel Enthusiasmus, so viel britischer Spürsinn.
Irene Adler. Was klingt wie der Name einer über fünf Ecken entfernten Tante aus Berlin oder auch einfach nur nach der schrulligen älteren Nachbarin, ist die Protagonistin aus Sherlock Holmes „Ein Skandal in Böhmen“. Zumindest, wenn es sich um das Original aus der Feder von Arthur Conan Doyle handelt. Seit damals hat die mysteriöse Dame nämlich ein stattliches Eigenleben entwickelt. Sie ist nicht nur in der Fanfiction eine sehr gefragte Gast, sondern taucht auch immer wieder in Drehbücher prominenter Sherlock-Verfilmungen oder Serien auf – und neuerdings auch in Salzburg mit „Femme fatale – Das Mysterium der Irene Adler“, einer Produktion des Studierendentheaters Salzburg, für die Christine La Renarde das Drehbuch schrieb und Regie führte.
In aller Plot-Kürze
Sherlock Holmes beginnt, wie Sherlock Holmes eben beginnt: Dem Meisterdetektiv mit dem Selbstbewusstsein in XXL ist langweilig. Und wenn der Londoner Spürnase langweilig ist, dann macht sie kuriose Dinge. Das weiß auch ihr treuer Freund Dr. Watson, der versucht, Sherlock aus dem Gröbsten rauszuhalten. Das gelingt nur semi-gut, denn schon ist Holmes auf der Spur einer mysteriösen Frau, die ihn zuerst selbst beschattete und dann einen Auftrag erteilt. Nur, dass hier irgendwas nicht mit rechten Dingen zugehen kann und Sherlock Holmes sich plötzlich mit unerwarteten Gefühlen konfrontiert sieht. Daran hat der distinguierte Brite sehr zu knabbern und obendrein scheint er vor seiner ersten Niederlage zu stehen. Upsi. Jetzt nicht so toll gelaufen, oder etwa doch?
Darf’s ein bisschen Sherlock sein?!
Die solide Grundlage und der kreative Überbau für „Femme fatale“ werden von Christine la Renarde mit ihrem Konzept geliefert, das an das prominente Sujet der Irene Adler anknüpft. Daraus entsteht eine Mystery-Romanze mit Live-Musik und ein Abend voller Überraschungen, aber mit bekannten Sherlock Holmes-Figuren, die ihre Schrullen und Eigenheiten voller Stolz vor sich hertragen.
Die Dialoge von „Femme fatale“ sind ein heiteres Geben und Nehmen. Christine la Renarde zelebriert den trockenen Humor des exzentrischen Briten (an diesem Abend: Momo Feichtinger), der es jetzt nicht so mit Gefühlen hat, dafür aber seine übersteigerte Hybris emsig hegt und pflegt. Voller Selbstbewusstsein prahlt Sherlock Holmes mit seinen Erkenntnissen und liegt dann vielleicht doch daneben. Irene Adler (Ruth Berleth) wird als Antagonistin eingeführt, die zugleich jedoch sehr viel divergenter und mit amourösen Absichten aufgeladen ist. Latent schwingt immer die Anziehungskraft zwischen den beiden Figuren mit, selbst wenn Ernüchterung folgt. Statt konsequenter Schwarz-Weiß-Zeichnung setzt die Regisseurin auf subtile Grautöne.
Spielfreude in „Femme fatale“
Spätestens in der Pause wird es offensichtlich: An diesem Vorstellungsabend tummeln sich sehr viele Tiroler Kommiliton*innen der Studierenden im Publikum. Es ist ein lustiges Reden und Beredetwerden, das sich zwischen Publikum und Bühne entspinnt. Vielleicht war es aber auch nur die Ecke der hier Schreibenden, wo alle aus derselben Region Österreichs zu kommen schienen. Sobald das Black den Stückanfang ankündigt, ist alles zurück auf Anfang, professionelle Ruhe kehrt ein und angestammte Plätze werden eingenommen. Wobei an dieser Stelle angemerkt werden soll, dass die Lichttechnik (Oliver Dumböck), so professionell auf der Bühne, besonders im Nebenbühnenbereich höchst kreative Formen annimmt, die auch zum Ziel führen. Wenn einem das Leben eine Zitrone gibt, dann mach Limonade draus und so weiter.
Auf der Bühne lässt besonders die Funken sprühen. Selten einen so ambitionierten Bösewicht gesehen wie Julia Thuilles Prof. Moriarty. Der kennt kein Halten mehr vor lauter üblen Ideen. Thuille bringt die eigene Begeisterung darüber stimmstark zum Ausdruck, dass es eine Freude ist, ihr dabei zuzusehen. Humorige Note: Die dialektalen Varianten von Margit Zeis (Kathrin Runggatscher) oder Berta Maletti (Diana Bobb), die für heitere Abwechslung sorgen. Musikalisch fokussiert sich das Stück auf ein Motiv und variiert es leitmotivisch durch die verschiedenen Szenen. Wunderbar auch die Auftritte von Bonny Gold (Vanessa Tiele), die unter anderem großartig lasziv eine sehr jazzig-verruchte Variante von Jack Barksdales „Man in the Shadows“ ins Mikro haucht, begleitet nur von Bastian Dumböck an der Gitarre. Gänsehaut-Feeling par excellence (Livemusik: Bastian Dumböck, Songwriting: Kathrin Fuchsberger, Christine la Renarde).
Der Perückeneinsatz ist bei „Femme fatale“ hoch, die aufgeklebten Bärte erleben Hochkonjunktur, gleichzeitig punktet das Studierendentheater mit Liebe für das Spiel. Schön ist, dass das Schauspiel mit immer neuen Wendungen tatsächlich überraschen kann und trotz gewisser Dauer die Spannung aufrecht erhält. „Das Mysterium der Irene Adler“ lässt alles offen. Vielleicht gibt es ein Wiedersehen mit der ambivalenten Dame, egal ob hier oder doch wieder auf der großen Leinwand.
Fotonachweis: Sven-Kristian Wolf
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