Kaiserin Karla wird’s schon richten, oder etwa nicht?
Anaïs Clerc hält mit ihrem Auftragswerk »Untersberg« der Gesellschaft den Spiegel vor. Das Kammerspiel für mehr Menschlichkeit feierte am Salzburger Landestheater Uraufführung.
Im Untersberg rumpelt’s, und das gewaltig. Nachdem die Raben gefallen und ihr Achselhaar genau die richtige Länge um den Tisch gewachsen ist, erwacht Kaiserin Karla zur finalen Schlacht. Daraufhin verlangt sie vom Untersberger Menschl (Matthias Hermann) zuerst einen Kaffee und dann eine Hyaluron-Gesichtsmaske, »aber bitte eine von den guten«.
Bereits hier lässt sich feststellen: In ihrem Auftragswerk für das Salzburger Landestheater verzichtet Anaïs Clerc auf bitteren Ernst und didaktische Weisheiten. Statt die Moralkeule zu schwingen, setzt die junge Dramatikerin bei »Untersberg« auf bekannte Legenden und Mythen, die sie frech, frei und mit einer großen Portion Female Empowerment in neue Formen gießt.
Alle sind gleich, aber manche sind gleicher
Der Monarch feiert als Monarchin Uraufführung in den Kammerspielen des Hauses und findet in Monika Pallua eine würdige Vertreterin. Ernst und grau sitzt sie im Gestein und deklamiert eindrucksvoll. Die Gefahr ist greifbar, wenn sie sorgenvoll den ökologischen und moralischen Verfall von Fels und Menschheit kommentiert. Im genau richtigen, bedächtigen Tempo intoniert Pallua ihre Sätze und erweckt Kaiserin Karla zum Leben. Zugleich betonen die Dialoge die Gleichstellung der Geschlechter.
Auf Menschls Frage, ob sie sich sicher sei, antwortet die Monarchin lapidar, dass sich nur Männer in Machtpositionen jemals wirklich sicher seien. Es folgen weitere Seitenhiebe, die mitunter zum Schmunzeln anregen, meistens aber erschreckend nah an einer ungustiösen Realität kratzen.
The Sound of Untersberg
Als Mittel zum Zweck dienen Musicalstudentin Laura (sonnig, motiviert: Sophie Borchhardt) und Pfarrer Frank (bedacht, gottesfürchtig: Gregor Schulz). Die beiden sind am Berg unterwegs, als sich ihre Wege und Ansichten kreuzen. Sarah Henker inszenierte dieses Zusammentreffen mit musikalischen »Sound of Music«-Reminiszenzen, der Untersberg ist dafür die denkbar beste Steilvorlage. Alsbald kollidieren die Vorurteile und fliegen wortgewandt im Pingpong des Dialogs über die Bühne. Das eine oder andere könnte übrigens bekannt vorkommen.
Genau hier zieht »Untersberg« auch seine Schrauben an. Die Uraufführung ist ein Kammerspiel für mehr Menschlichkeit und eine klare Absage an den Hass. Anaïs Clerc gelingt ein modernes Stück, das ohne belehrenden Zeigefinger auskommt und dennoch das Potenzial besitzt, ein großes Publikum zu erreichen. Egal ob jung oder alt, die Themen, die verhandelt werden, betreffen uns alle.
Mittendrin wirbelt Matthias Hermann wendig als Menschl durch die Gegend und füllt sämtliche Rollen, die die Metaebenen mit ihren Traumsequenzen so bieten. Sarah Henker und ihr künstlerisches Team (Bühne & Kostüme: Eva Musil, Dramaturgie: Maria Leitgab) haben ganze Arbeit geleistet; ein Besuch von »Untersberg« inspiriert und regt zum Nachdenken an.
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Fotonachweis: Tobias Witzgall // Landestheater Salzburg







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