»Leonce und Lena« in Salzburg – Henry Schlages Unlustspiel

Leonce und Lena – ein Unlustspiel nach Georg Büchner | Universität Mozarteum

Chiasamen Vasen blasen in »Leonce und Lena – ein Unlustspiel nach Georg Büchner«

Stille muss man erst einmal aushalten können, vor allem, wenn sie so konzentriert auftritt wie in Henry Schlages »Leonce und Lena«, dem Unlustspiel nach Georg Büchner.

Für seine Diplominszenierung orientierte sich Schlage an Büchners berühmtem Lustspiel und interpretierte es frei neu (Dramaturgie: Tilman Giustozzi, Musik: Calixto Maria Schmutter, Choreografie: Hella Dräger). Geblieben ist die Kritik an der Zeit. Statt Vormärz steht in Salzburg die Moderne auf dem Prüfstand. Der rote Faden rückt gönnerhaft in den Hintergrund, während Stille, nur von sprachlichen Fragmenten unterbrochen, den Abend bestimmt. Mal in vollständigen Sätzen, mal im selbstbewussten Stakkato. Den abgehackten Dialogen zu folgen, ist die eigentliche Herausforderung dieser Fassung.

Spannend ist, wie sich der Regisseur bei seinem Spiel frei aus den literarischen Epochen bedient. Neben dem Vormärz und seinen Parallelen zur Moderne prägt vor allem das zeitgleich stattfindende Biedermeier das Bild (Bühne & Kostüme: Emilie Wünsch). Diese Rückzugswelt in die eigenen vier Wände wird zum Spiegel aktueller Tendenzen, wenn gleich fünf Leonces im Wohnzimmer auftauchen, das sehr kleinkariert daherkommt. Zwischen Langeweile und Reizüberflutung pendeln die fünf Schauspieler:innen und fabulieren sich die Ennui von der Seele (Marie Luise Arnold, Lola Giwerzew, Danylo Dmytrenko, Tanja Radovanović, Theo Thun). Doch das Heimkehren birgt so seine Tücken. »Leonce«, lockt der aufleuchtende und qualmende Biedermeierschrank, und schon verschluckt er eine der fünf Unlustgestalten. Gleich darauf gellen Schreie durch den Saal. Das Monster unter dem Bett war gestern; heute suchen kindliche Schreckensgestalten junge Erwachsene heim.

Anspielungsreichtum beherrscht diese Bühnenversion aus dem Effeff. Ein Blick auf die Kostüme in Blau und Gelb genügt, um Goethe heraufzubeschwören. Der Sturm und Drang liegt zwar ein Weilchen zurück, doch die Signalfarben des leidenden Werthers leuchten nach. Was beim Dichterfürsten nach innen wirkte, zerstörte bei Büchner das Individuum von außen. Auch Henry Schlage greift diesen Gedanken auf und verwandelt ihn in einen satirisch-pointierten Theaterabend, der zugleich unterhält und fordert.

 

Fotonachweis: Paulo Jamil Sieweck // Universität Mozarteum

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