Automatenbüfett - Schauspielhaus Salzburg

Automatenbüfett – Schauspielhaus Salzburg

Berliner Luft am Schauspielhaus

Sozialkritik aus dem Automaten: Mit »Automatenbüfett« kehrt am Salzburger Schauspielhaus ein Stück zurück auf die Bühne, das viel zu lange aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden war.

Zehn Pfennig für ein Bier oder doch lieber das Würstchen aus dem Automaten? Bei den Adams gibt es beides, samt politischer Ergüsse frei Haus. Frau Adam ist die Inhaberin eines Automatenbüfetts, in dem sich die Dorf-Honoratioren die Klinke in die Hand geben, während Herr Adam seine Fischerei-Visionen verfolgt. Mit im Angebot: Eva, eine junge Frau, die Adam zufällig vor dem Ertrinken rettet und die sich in seine Verantwortung übergibt. Damit wirbeln die beiden das kleinstädtische Milieu ordentlich durcheinander, das sich Evas Charme nur schwer entziehen kann.

Der zweite Frühling des »Automatenbüfett«

Das Schauspiel aus der Feder der jüdischen Theaterautorin Anna Gmeyner war nahezu vergessen, als es 2019 in einem FAZ-Artikel von Sasha Marianna Salzmann wieder auftauchte und ins Licht der Öffentlichkeit rückte. Seither erlebt es eine späte Renaissance, die nun in Salzburg halt macht. Regisseurin Sophia Aurich verpasste »Automatenbüfett« mit Dramaturgin Julia Thym einen neuen Anstrich, ohne dabei dessen Substanz aus dem Blick zu verlieren (Bühne: Martha Pinsker, Kostüme: Lara Marie Kainz, Musik: Friederike Bernhardt, Licht: Marcel Busà).

Getragen wird die Inszenierung von Martha Pinskers schlichtem und zugleich wirkungsvollem Bühnenbild. Ein vollautomatisiertes Etablissement, das fast wie aus der Zeit gefallen wirkt, umgeben von Wasser und gekrönt von einer zweiten Ebene auf dem Dach. Dieser Kunstgriff lässt die Bühne wachsen und deutet zugleich auf Erneuerung und Wandel hin oder verweist auf die Fischerei-Ambitionen des Hausherrn, den Wolfgang Kandler mit einer fein austarierten Mischung aus Träumerei, Egoismus und Gutmenschentum verkörpert.

Wenn sich die Todsünden zum Stelldichein treffen

Freilich, so richtig sympathisch ist hier kaum jemand. Aurich hält der kleinstädtischen Gesellschaft den Spiegel vor: Vereinsmeierei, Geltungssucht, männliche Begierde und Feminismus prallen ungebremst aufeinander. Ganz nebenbei schreiben Eva (Leonie Berner) und Adam die Schöpfungsgeschichte neu. Berners Figur bleibt sich selbst treu, ein gefährlicher Charakterzug, der sie zur Außenseiterin macht. Herr Puttgam (seherisch: Elisabeth Kanettis) weiß um die Dynamik und warnt. Krähen hacken nun einmal besonders gern auf jene mit den paar weißen Federn ein.

Elisabeth Nelhiebels Frau Adam bleibt zunächst im Hintergrund, verliert aber nie ihre Präsenz. Ihr Fake-Fur, das braune Adidas-Outfit und das abgerockte Make-up erzählen ihre Geschichte fast ohne Worte. Wenn sie mit verschmiertem Kajal in die Live-Kamera blickt und sich die Wut von der Seele spricht, bringen visuelle Projektionen das Stück in die Gegenwart. Dass auch Pankraz (durchtrieben: Lukas Riedle) eine braune (No-Name-)Jogginghose trägt, ist mehr ein Wink mit dem Empire State Building als eine subtile Anspielung. Im »Automatenbüfett« geht es ans deutschtümelnde Eingemachte.

Eine Hand wäscht die andere: Vereinsmeierei bei »Automatenbüfett«

Wie progressiv Gmeyners Text bereits in den 1930er-Jahren war, zeigt sich in zahlreichen scharfzüngigen Sentenzen und in der Figur des Willibald Boxer (angemessen eingebildet: Fabian Cabak). Der lyrische Schläger mit dem sprechenden Namen und Ex-Freund Evas kommt mit einer satten Portion Wokeness daher und entlarvt zugleich die Problematik männlicher Selbstbilder und die gesellschaftliche Position der Frau. Mal im Chor, mal solo sorgen Sophia Fischbacher, Angie Mastoraki, Michael-Lorenz Brandner und Fabian Cabak für eine präzise Demaskierung der Vereinsmeierei.

Ende gut, alles gut?

Nur das Ende lässt Fragen offen. Schön wäre es gewesen, wenn die Produktion mit dem von Gmeyner vorgesehenen Nachspiel geschlossen hätte. Gemeinsam mit dem ersten Bild ergäbe das einen eleganten dramaturgischen Rahmen. Stattdessen folgt auf die stimmige Schlussszene ein unerwarteter Bruch: Elisabeth Kanettis leitet diesen mit einer Musik ein, die an eine düstere Variante von Beethovens Siebter erinnert, atmosphärisch überzeugend. Danach schiebt sich ein Fremdtext von Heiner Müller dazwischen.

Warum ausgerechnet ein DDR-Dramatiker der österreichisch-britischen Autorin gegenübergestellt wird, in einem Text, der in den frühen 30er Jahren verfasst wurde, bleibt unklar. Muss ein Stück aus weiblicher Feder wirklich durch eine männliche Perspektive ergänzt werden? Oder widerspricht das nicht vielmehr dem feministischen Selbstverständnis des Textes? Ein Gedanke, den es weiterspinnen lohnt.

 

Fotonachweis: Erika Mayer // Schauspielhaus Salzburg

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