Johnnys Café – OFFTheater Salzburg

Was im OFF geschieht, bleibt im OFF

Das Salzburger OFFTheater hat eine neue Musical-Revue: Auf PETTICOAT & NIERENTISCH folgt mit JOHNNYS CAFÉ ein psychedelischer Roadtrip durch cineastische Klassiker – gelungen OFFish.

Ein Mann der schwermütig und mit trauriger Stimme die „leeren Stühle an den leeren Tischen“ besingt? Während es bei Musical-Nutters und Les Mis-aholics sofort Klick macht, schrillen bei denen, die das Pech hatten, zu drei Stunden LES MISERABLÈS gezwungen worden zu sein, sofort sämtliche Alarmglocken. Aber keine Bange, im Salzburger OFFTheater droht keinesfalls das Herumstochern in alten Musical-Wunden – vielmehr haben sich die künstlerischen Freigeister aus vorhandenem Material ihre eigene Revue gebastelt: JOHNNYS CAFÉ.

In aller Plot-Kürze

Johnny ist sauer: Sein Film-Café steht notorisch leer, weit und breit keine Besucher in Sicht, und sein einziger Mitarbeiter Django ist eine Fachkraft im Zuspätkommen. Dann tauchen eines Tages drei mysteriöse Fremde aus einem Milchkännchen auf – ok, vielleicht stehen sie auch nur plötzlich von sehr viel Bühnennebel umwabert hinterm Tresen. Allerdings packen sie das demotivierte Duo kurzerhand ein und entführen es auf einen psychedelisch-cineastischen Roadtrip durch die Filmgeschichte.

Vor dem OFFTheater sind alle Kino-Klassiker gleich

Auf engstem Raum zelebriert das Ensemble des OFFs eine temporeiche und sehr farbenfrohe Musical-Revue. Dass das für gute Laune sorgt, ist klar. Zumal sich die bunte Truppe kein Blatt vor den Mund nimmt, jeden Klassiker fachgeregt zerlegt, um ihn im Anschluss wieder despektierlich zusammenzusetzen. Und auch wenn es unwahrscheinlich klingt, findet nebenbei sogar noch eine eigene Live-Band auf der Bühne Platz (Leitung & Keys: Daniel Schröckenfuchs, Gitarre: Peter Baxrainer, Drums: Tom Grubinger). Derart ausgestattet, grast die freche Revue cineastische Höhepunkte ab: „Lawrence von Arabien“ muss genauso dran glauben wie „Goldfinger“, „Cocktail“, „Moulin Rouge“ oder „Saturday Night Fever“ (Technik: Jonas Meyer-Wegener, Ausstattung: Andrea Linse, Max Pfnür, Kostüme: Abozar Hussaini).

Die Reise nach Jerusalem

Als Guide durch die cineastischen Höhepunkte dienen Filmplakate, die vom Bühnenhimmel baumeln. Ganz im Sinne von grellen TV-Shows vergangener Tage springt dabei das Licht von einem Klassiker zum nächsten – erst wenn es stehenbleibt, sieht das Publikum, wo die Reise hinführt. Johnny (Alex Linse) ist an vorderster Zweifler-Front immer mit dabei. Ganz egal ob als persiflierte Aladin-Reinkarnation mit depressivem Touch bei der Wüstenexpedition (Lawrence von Arabien) oder als zorniger Tanz-Muffel (Saturday Night Fever): Wunderbar ironisch und trocken kommentiert Johnny das Erlebte und treibt Sidekick Django (Jonas Zacharias) mit seinem Wunsch nach Bier beinahe in den Wahnsinn. Aber auch Jonas Zacharias hat an seiner Figur sichtlich Spaß. Er amüsiert nicht nur mit zerbeultem Tropenhut und angezogenem Kamel, sondern auch im kraushaarigen Duett oder bei den verbalen Schlagabtauschen mit Boss Johnny.

Wehe, wenn sie losgelassen!

Cineasten lehnen sich zurück und schöpfen aus dem Vollen: Filmzitate wohin das Auge (oder eben Ohr) reicht. Aber JOHNNYS CAFÉ ist ja eine Musical-Revue, da sind bekannte Musicalhits selten fern. Neben Austropop wie „Fata Morgana“ (EAV) oder dem James-Bond-Titelsong-Medley wird tief in die Musicalkiste gegriffen. Was nicht passt, wird für das szenische Ganze passend gemacht. Das funktioniert erstaunlich gut, auch wenn die Storyline dafür mit forcierter Kraft gebogen wird. Normalerweise würden an der Stelle die Balken brechen, aber JOHNNYS surreales CAFÉ baut auf solidem Klamauk-Fundament. Das gibt sich nicht mit kleckern zufrieden, sondern klotzt – und zwar gewaltig.

Für die Choreografie sind vor allem die drei Damen im Ensemble zuständig (Anja Clementi, Diana Paul, Silke Stein). Stimmstark schleudern sie ein euphorisches „Fame! I am gonna live forever“ in den Raum, während sie sich auch schon zu einer Mini-Variante des berühmten Hits formieren. Apropos! Django Unchained lautet die Devise, wenn der demotivierte Mitarbeiter auf der Cine-Reise seine Tanzleidenschaft offenbart und sich eifrig unter die Tänzerinnen mischt. Das ist natürlich auch eine Form des Team-Buildings.

Selbstverständlich können die Damen noch viel mehr: Anja Clementi begeistert als Betrunkener an der Bar, der stark berlinernd „Du bist schön, auch wenn du weinst“ (Linie 1) zum Besten gibt – und damit dem Original Konkurrenz macht. Aber auch ein ziemlich fragwürdiges Kokosnuss-Outfit trägt die Künstlerin mit großartigem Humor. Silke Stein überrascht beim James-Bond-Stelldichein als die, die zuletzt lacht, und dann doch nicht zuletzt lacht – aber zumindest mit dem größten Spielzeuggewehr auf dem Tresen herumwedelt. Außerdem schwenkt sie im altbekannten Eichhörnchen-Kostüm herrlich komisch ihr Stop-Schild und zieht ihre „Ersparnüsse“ hinter sich her. Diana Paul gibt die auf Kommando immer-fröhliche Animateurin an der Cocktailbar, die sich liedtechnisch offensiv an Johnny heranpirscht. Gelungen auch ihr Auftritt als Goldfinger mit… goldbepflastertem Finger – schon wieder so eine Film-Reminiszenz, die einen eigentlich wie ein Keulenschlag treffen müsste, dann aber genau durch ihre demonstrative Ostentativität amüsiert.

For this is the end

Zur herrlich-heiteren Inszenierungskraft von JOHNNYS CAFÉ tragen die amüsanten und liebevoll herausgearbeiteten Details bei. Allen voran das Potential einer immer wieder recycelbaren Kulisse und ein stattliches Arsenal an den (un)möglichsten Kostümen (definitiver Favorit der verfasserin: das anziehbare Kamel!). Die werfen sich die Darsteller*innen irgendwo zwischen vor, neben und hinter der Bühne in vermuteter Windeseile über oder entledigen sich ihrer eben dort genauso schnell wieder. Das Tempo ist und bleibt rasant. Deshalb könnte dieser Abend gerne auch etwas länger dauern. Tut er nach satten zwei Stunden allerdings nicht. Dafür bleibt der eine oder andere Ohrwurm, der vielleicht den Heimweg verkürzt.

 

 

Fotonachweis: OFFTheater Salzburg | Press The Button

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2 Kommentare

  1. Liebe Frau Zangel,
    tolle Kritik, aber ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass es sich bei einem der zitierten Filme um „Saturday Night Fever“ handelt und nicht um „Grease“.
    Mit freundlichen Grüßen
    Claudia Karner

    1. Author

      Liebe Frau Karner,
      oh nein, wie peinlich! Vielen lieben Dank für den Hinweis, um den ich Ihnen wirklich dankbar bin. Das wird natürlich sofort ausgebessert. Aber auch genauso viel lieben Dank für Ihr schönes Kompliment.

      Mit besten Grüßen
      🙂

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